Erfolgreiche Transformation von (Medien-)Marken im digitalen Tsunami

21. April 2016

INNSIDE Hotel Düsseldorf Hafen, Skylounge "THE VIEW"

 

Michael Plasse vom „Spiegel“ hatte uns schon die Problemstellungen seines Hauses dargelegt. Nun also Burkhardt Graßmann, Vorsitzender der Geschäftsführung von „Burda News“.

Wir sind im „The View“ des INNSIDE Hotels im Medienhafen. Der Ausblick ist bestens, wie sieht’s mit den Einblicken aus?

Graßmann, der Magazine wie Focus, TV Spielfilm, Focus Money und Playboy verantwortet, darf eines nicht: Ratlos sein. Irgendwas muss man ja tun, um den Leser- und Auflagenschwund zu stoppen. Als der Burda-Manager antrat, vor fünf Jahren, verkaufte der Focus 110.00 Exemplare am Kiosk, heute sind’s gerade mal 75.000.

Internet frisst Print, auch bei Burda.

Graßmann zeigt zwei Beispiele: Ein echter Turnaround – TV Spielfilm, von einem üppigen TV-Magazin umgestaltet zu einer TV-Plattform: 30 Sender umsonst gucken, Filme buchen – und natürlich weiterhin Programm studieren. Also: Weg vom Beobachter zum Akteur. „Aus einer Programmzeitschrift haben wir Fernsehen gemacht“, sagt Graßmann. Interessantes Modell, macht Sinn und läuft auch gut: Die Zahlen, acht Mio. Unique Users und 60 Mio. Visits, sprechen für sich.

Dann aber der Focus. Das Schlingermagazin, das nach 20 Monaten unter Jörg Quoos und 15 Monaten mit Ulrich Reitz auf dem Chefstuhl jetzt mit Robert Schneider der fünfte Chefredakteur führt, ist ein Sorgenfall.

Macht beim Thema TV die Turnaround-Strategie für TV Spielfilm Sinn, so ist die der line extension, die Graßmann für den Focus aufzeigt, allenfalls wirtschaftlich überzeugend, nicht jedoch journalistisch: Da werden die Rankings wieder aus der Schublade geholt und auf Hochglanz gewienert, da sollen Satellit-Objekte wie „Focus Gesundheit“ und „Focus Diabetes“ neben dem Stamm-„Focus“ und seinem etablierten Ableger neue Leserkreise attrahieren.

Der These, wonach der „Focus“ glänzen müsse, auf dass die Begleitboote des Mutterschiffs an Glaubwürdigkeit gewännen, widerspricht Burkhard Graßmann. Ausdrücklich stellt er sich hinter den Chef der Burda-Journalistenschule, Nikolaus von der Decken, der rät, sich von der „Reporterromantik“ zu verabschieden und „Edelfedern“ für überflüssig erklärt. Der neue Journalist Burda Style soll laut von der Decken „multimedial, interdisziplinär, technologiegestützt und consumer-data-driven“ agieren.

Frage, nur zum Verständnis: Kann ein zum Allround-Einsatz fähiger Themenhopser mich zum Kiosk locken? Verlangt nicht die wachsende News-Flut per Web ein Magazin, das uns Woche für Woche mit journalistischer Klasse, Einordnungskompetenz und Respekt vor dem Leser die Welt erklärt?

Man tut Graßmann Unrecht, wenn man ihm vorwerfen wollte, er habe nicht die perfekte Strategie. Schon zu Beginn des Vortrags im „The View“, der trotz heftiger Nebengeräusche vom Restaurant wieder eine großartige Location war, hatte er mit entwaffnender Offenheit gestanden: „Die Lösung bringe ich auch nicht mit“. 

Wolfgang Osinski